Windvorranggebiete im Nebel

Gespeichert von Gast (nicht überprüft) am Di., 17.03.2015 - 22:14

Dies ist ein Musterbeispiel, wie Politik Erwartungen weckt und dann enttäuscht“, sagte Wolfgang Wiechert, einer der Sprecher der Bürgerinitiative proWald Niedernhausen. Am 29. Januar 2015 hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung gemeldet, dass die Ausweisung der Vorranggebiete für Windräder in Südhessen in weite Ferne rückt und der Termin für die zweite Offenlage ins Jahr 2017 rutschen könne.

Im Rahmen der ersten Offenlage der Windvorranggebiete hatte proWald im April 2014 mehr als 1.450 Einsprüche gegen die Ausweisung von vier Windvorranggebieten in Niedernhausen gesammelt und sie Anfang Mai 2014 in Darmstadt der Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid (Grüne) übergeben. Der Verein „Rettet den Taunuskamm e.V.“ hatte in Taunusstein und Wiesbaden sogar mehr als 5.400 Einsprüche zum Taunuskamm zusammengetragen. Insgesamt sind etwa 25.000 Stellungnahmen im Regierungspräsidium Darmstadt eingegangen. Die Politik hatte versprochen, die Anregungen und Stellungnahmen der Bürger und Behörden zu prüfen und in einer zweiten Offenlage noch im Jahr 2015 zu berücksichtigen. Danach sollten die Windvorranggebiete endgültig festgelegt werden.

Doch daraus wird nichts. Begründet wird dies mit der Vielzahl der eingegangenen Stellungnahmen und der hohen Arbeitsbelastung. Nicht nur die Anzahl der Einsprüche habe überrascht, auch die Qualität der abgegebenen Stellungnahmen stelle die Behörden vor Herausforderungen. Dies ist auch teilweise nachvollziehbar: so haben beispielsweise proWald und „Rettet den Taunuskamm“ ihren Einsprüchen jeweils weit mehr als 100 Seiten Gutachten und Begründungen beigefügt. Dabei ging es um Themen wie Naherholung, Naturschutz, Artenschutz, Trinkwasserschutz, Denkmalschutz, Flugsicherung, Gefahren und Emissionen. „Grundsätzlich freuen wir uns, dass die Anregungen und Einsprüche der Bürger sorgfältig geprüft und abgewogen werden“, so Jörg Seibert, ein Sprecher von proWald, „allerdings werfen der Zeitpunkt der Bekanntmachung und die Begründung der erheblichen Verschiebung Fragen auf“.

proWald geht davon aus, dass sich politische Kräfte durchgesetzt haben, die das Thema „Windvorranggebiete“ aus den Kommunalwahlen im Frühjahr 2016 heraushalten wollen. Offenbar fürchtet man, dass das Protestpotential der Bürger den Parteien zugutekommen könnte, die Windräder skeptisch sehen oder sich für ein Moratorium aussprechen.

Die weite zeitliche Verschiebung wird den ungezügelten Ausbau der Windräder nicht etwa behindern, sondern fördern. Denn das Fehlen von Windvorranggebieten mit Ausschlusswirkung führt nach § 35 Baugesetzbuch dazu, dass Initiatoren an beliebigen Stellen im Außenbereich Windräder beantragen können. Wo kein Schuppen stehen darf, können 200 m hohe Türme gebaut werden. Es gibt nur eine wesentliche Bedingung für die Genehmigung durch das Regierungspräsidium: das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist zu beachten. Im Genehmigungsverfahren spielen Gutachten eine bedeutende Rolle, und diese werden vom Initiator des Windparks meist an private Gutachter in Auftrag gegeben.

Je später die Vorranggebiete festgelegt werden, desto mehr Windräder sind bei ihrem Inkrafttreten gebaut und desto weniger Wirkung können die Vorranggebiete entfalten. Durch die Ausweisung von Vorranggebieten wollte man noch vor kurzem der ungehemmten „Verspargelung“ der Landschaft entgegentreten. Diese Absicht hat man für Südhessen wohl aufgegeben.